Einen wunderschönen guten Tag miteinander, obwohl es doch tatsächlich auch ohne Smog mal richtig trüb bei uns draußen ist. Das sind wir gar nicht gewohnt.
Wer hätte das gedacht, unser drittes Chinese New Year in Peking und es ist noch nicht das letzte. Ich kann sagen, es war besser als gedacht. Mit etwas mulmigen Gefühl haben wir uns nach einem Jahr Pause, pünktlich zu Olympia in Südkorea, mal wieder auf nach Chongli gemacht, dem Ort, an dem wir 2022 vielleicht noch einiges wiedererkennen werden, wenn auch vielleicht nicht mehr viel. Was in der kurzen Zeit alles passiert ist, seit wir das letzte mal da waren, das gibt’s nur in China. Neue Skigebiete, der ganze Ort voller Läden mit Skiverleih, riesige Hotelanlagen werden aus dem Boden gestampft. Es ist der Wahnsinn. Leider wirkt manches etwas undurchdacht. Hauptsache es sieht toll aus. Ein Superlativ jagt das nächste. Aber was wird damit nach Olympia? Das Gute ist, dass die Menschen in China solche Sachen selten hinterfragen oder als negativ empfinden. Die meisten im Ort sehen ihre Chance richtig Geld zu machen. Money rules the world!!! Auch in China. Das Hotel, in dem wir wohnen, ist eigentlich recht nett und auch noch nicht alt. Aber bereits jetzt muss man damit rechnen, dass es bis Olympia enorm an Glanz verlieren wird. Mit der Pflege ist es ja doch immer eher schwierig. Auch beim Essen muss noch einiges getan werden, um die Herzen der Ausländer zu erobern. Western Breakfast bedeutet hier ja normalerweise, dass es zumindest Kaffee und ein bisschen Cornflakes, Toast und Marmelade gibt. In einem Land wie China, wo jeder immer der Erste sein muss, funktioniert das leider noch nicht gut. Man fällt über alles her was neu und ungewohnt aussieht und lässt es liegen, denn wie mir von einer Chinesin erklärt wurde, benötigt der chinesische Magen einfach andere Nahrungsmittel und so stehen wir mit unseren vier Kindern da, bekommen nur einen halben Kaffee, keine Milch, kein Joghurt, kein Müsli…also Eier und Nudelsuppe…aber was solls, das Leben geht weiter und schimpfen hilft und bringt nichts. Dafür freuen sich die Mitarbeiter des Hotels so sehr über uns, dass sie mit ihren Telefonen um uns herumschleichen und immer mal wieder ein Bild schießen oder Keni über den Kopf streicheln. Was will man da noch sauer sein. Beim Skiverleih stellen wir fest, dass der Besitzer hofft, indem er den ganzen Tag im Laden sitzt, das ganz große Geld zu machen. Während die meisten Läden geschlossen sind, da an Chinese New Year ja doch noch sehr traditionell alle bei der Familie sind, hockt er und zwei Damen, ob Schwestern oder Freundinnen weiß man nicht, im Laden und wartet auf Gäste. Sogar Englisch kann er erstaunlich gut. Das ist immer noch eine große Baustelle, denn weder im Hotel noch am Skihang spricht man ein paar Worte Englisch. Sogar der Skilehrer schaut mich verschämt an und tut so, als ob er keiner wäre. Bloß keine Ausländer! Schade eigentlich…
Ansonsten erkunde ich mit Keni die Umgebung, während Lars sich mit allen drei anderen die Pisten hinunterstürzt. Wir stellen fest, dass wie immer, beim Essen die Hölle los ist. Ganztägig sitzen sie da, essen, quatschen und schauen, dafür ist aber auf der Piste freie Bahn. Essen, sich mal umschauen und natürlich das geliebte Selfie sind wichtiger. Warum die Leute viel Geld bezahlen, um auf Brettern auf künstlichem Schnee zu gleiten, scheint vielen noch etwas unklar. Das Gesamtambiente fehlt etwas, obwohl es sogar einen DJ gibt. Ich wandere oder laufe mit Keni derweilen durch die Stadt und entdecke dabei viel Interessantes. Zum Beispiel, dass bis vor einiger Zeit an den Felsen am Rande der Stadt noch Menschen in höhlenartigen Unterkünften gehaust haben, die nun schnell großflächig und in kürzester Zeit abgerissen werden. Ich finde eine große Kirche, vermutlich griechisch-orthodox, die schönste Kirche, die ich je in China gesehen habe (ich gebe zu, viele waren es noch nicht). Außen herum Baustelle, Müll, Dreck. Es schockiert mich ein wenig, aber irgendwie auch nicht. Es spielt halt irgendwie keine Rolle für die Menschen. Sie brauchen es nicht wie geleckt. Als ich die Kirche betrete schauen mich alle ganz erwartungsvoll an, aber ich sehe mich nur kurz um und gehe wieder heraus. Die Kirche ist bis an den Rand gefühlt. Am Altar ein Kreuz, an der Wand ein paar Bilder, sonst alles ganz schlicht. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass so viele Menschen in die Kirche gehen. Draußen hängt noch ein Plakat von der Weihnachtsmesse, sogar auf Englisch. Skurril.
An einem anderen Tag wandere ich eine kleine Straße am Rande der Stadt hinauf. Die führt mich zu Rückseite des Skigebietes. Überall streunende Hunde. Ein echtes Problem. Sie wühlen im Müll. Da ist es fast ein Glück, dass hier so viel Essen auf der Straße landet. So sind sie wenigstens nicht vor Hunger aggressiv. Trotzdem fühle ich mich unwohl. Nur ein paar hundert Meter von der Stadt entfernt wohnen die Menschen in Baracken. Sie scheinen ein paar Backsteine bekommen zu haben, um sich etwas Neues zu bauen, bzw. um die Straßenseite der Häuser zu erneuern. Überall wildes bellen. Tiere im Hof. Die Leute starren mich an und wundern sich wo ich hin will. Ein Mann läuft in sicherem Abstand hinter mir her. Als der Weg immer enger und ruhiger wird und es schwierig wird mit dem Kinderwagen, drehe ich um. Der Mann wirkt beruhigt, als ich wieder zurückkomme. Er lächelt freundlich. Komischerweise hat man vor wilden Tieren mehr Angst als vor den Menschen. Anders als woanders auf der Welt. Diese totale Ruhe, die ich mir so oft wünsche, halte ich gar nicht mehr aus und bin froh, als ich wieder bei den Häusern ankomme. Diese Erkundungstouren machen mir trotzdem viel Spaß, denn es gibt immer etwas zu entdecken.
Sobald es Abend wird, wird geknallt ohne Ende. Bis in die Morgenstunden sind die Menschen draußen und knallern sich in das Jahr des Hundes hinein. Und wie!!! Da die Knaller seit diesem Jahr gänzlich aus der Pekinger Innenstadt verbannt wurden, scheinen alle ins Umland zu fahren, um zu feiern. Na ja, was soll`s, den Kindern gefällt es! Und solange alle Finger an der Hand bleiben…
Es war ein gelungener Start ins chinesische Neujahr für uns alle! Wir sind gespannt, wie es weiter geht und was das Jahr für uns bereit hält! Auch allen Lesern wünschen wir alles erdenklich Gute!!!
Hast du wieder sehr schön geschrieben 😉
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Dankeschön 😊
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