Chinesisches Neujahrsfest

erstmal ein Happy Chinese New Year an alle unsere Leser!

Wir erleben China eine Woche lang im Ausnahmezustand. Man kann es sich in einer dermaßen pulsierenden Stadt wie Peking kaum vorstellen, doch bereits Anfang Februar merkt man, dass etwas passiert. Die Stadt und Häuser werden schön rot geschmückt, die Menschen sind aufgeregt, es herrscht Aufbruchsstimmung. Lebensmittel einkaufen wird für mich zur nervenaufreibenden Tortur!!!

Wenn es nicht überall schon sowieso immer extrem laut ist, dann werde ich wieder eines besseren belehrt….es geht immer noch schlimmer!!! Von allen Seiten wird man im Supermarkt von Verkäufern angeschrien, dass man doch bitte ihr tolles Angebot probieren soll. Gwen ist nach unserem dreistöckigen Shoppingerlebnis schon mal satt. Ich bräuchte danach eigentlich mindestens eine Stunde Regeration…Im Grunde genommen erleben wir Weihnachten und Silvester als ein Fest nach einem Monat noch einmal. Das Chinesische Neujahrsfest ist ein Fest der Familie. Diejenigen die ihre Familie in Peking haben genießen eine Woche eine „verhältnismäßig“ ruhige Stadt, alle anderen sparen sich meist den gesamten Urlaub vom Jahr, um zu Ihren Familien teilweise in einer völlig anderen Ecke Chinas zu gelangen. In den Nachrichten heißt es, dass um diese Zeit die größte Völkerwanderung der Welt hier in China stattfindet. Millionen Menschen wollen so ziemlich zur selben Zeit von A nach B. Manche warten bereits zwei Tage vor Abfahrt am Bahnhof, um auch wirklich einen Platz ergattern zu können. Es gibt herzzerreißende Berichte über Menschen, deren einziges Kind in diesem Jahr nicht nach Hause kommen könne; über junge Arbeiter die super Jobangebote oder ein höheres Gehalt geboten bekommen, wenn sie da bleiben, die sich allerdings trotzdem recht schnell und selbstverständlich für die Familie entscheiden. Es gibt aber auch junge Arbeitstätige, die nicht frei bekommen und hoffen, dass die Eltern wieder ein Jahr zu warten durchhalten.

Am meisten berühren aber Reportagen von den sogenannten Wanderabreiten, von denen es Peking extrem viele gibt. Leider lassen diese meist Ihre Kinder zurück auf dem Lande, weil das Leben in der Stadt einfach zu teuer ist. Für China ist dieses Problem der „zurückgelassenen Kinder“ ,von denen es unglaubliche 60 Millionen gibt, zu einem riesigen Problem geworden. Die Kinder bleiben oft in einem Dorf zusammen mit vielen anderen „alleingelassenen“ Kindern bei Großeltern, anderen Familienmitgliedern oder Bekannten.  Leider müssen die Großeltern solange Sie können selber schwer arbeiten und haben nur wenig Zeit für die Kinder. Es passiert auch, dass Familienmitglieder bzw. „Aufpasser“ plötzlich krank werden oder sterben und so bleiben die Kinder leider viel zu oft sich selber überlassen. Die Eltern die einmal im Jahr ihre Kinder besuchen kommen, wissen in den meisten Fällen nichts mehr über ihre Kinder und diese erkennen oft die Eltern nicht einmal mehr nach einem Jahr, wenn sie noch sehr klein sind. Wieder etwas das sich unsereins einfach nicht vorstellen kann, aber die Menschen hier sehen keinen anderen Weg. Es ist ja auch nicht so, dass sie sich mit dem Geld, das sie in der Stadt verdienen ein schönes Leben machen. Oft ist es natürlich auch nicht viel und wird den Großeltern und Kindern geschickt.

Für die, die in Peking bleiben bedeutet CNY eigentlich nur eins: Knallern was das Zeug hält. Eine ganze Woche lang. Drei Tage vor Beginn der Feierlichkeiten werden an vielen Straßen die „Knallerbuden“ eröffnet. Da kann man sich gescheit eindecken. Und obwohl ich diese vermeintlich ruhige Woche auch gern in Peking erleben würde, machen wir uns auf zum Skifahren. Auf dem Weg packen wir natürlich auch noch etwas Knallmaterial mit ein, um das erneute Neue Jahr noch einmal gebührend zu begrüßen. Es gibt allerhand zu lernen und zu beachten an Chinese New Year, aber dies kann ich vielleicht bis zum nächsten CNY genauestens studieren. Diesmal habe ich es nicht geschafft. Auch wenn der Skiurlaub in einem Land in dem man leider immer noch nicht der Sprache mächtig ist, natürlich nicht ganz reibungslos verläuft, so war die Entscheidung doch die richtige. Die Kinder freuen sich wahrlich wie die Schneekönige. Sogar Gweni entwickelt einen ungewohnten Enthusiasmus das Skifahren zu erlernen. Als wir ankommen, der erste kurze Schock. Man könnte meinen, das Hotel wäre geschlossen. Drinnen sitzen die Mitarbeiter in Skijacken. Trotzdem bekommen wir unser Zimmer. Im Restaurant dann die nächste Überraschung. ..wir können mal wieder nichts bestellen, weil wir uns nicht verständigen können. Die einzigen anderen Gäste, sehr nette Engländer, sehen uns scheinbar die Verzweiflung an und bieten uns Hilfe an und so sitzen wir an diesem Abend nett zusammen und plaudern. Am nächsten Morgen geht es ähnlich weiter. Frühstück. Die Auswahl beschränkt sich auf das Essen vom Vorabend und Reissuppe. Und schon wieder haben wir Glück. Als ob wir es so geplant hätten, kommt eine Familie in den Frühstücksraum, deren Sohn in Gweni’s Kindergartengruppe geht. Man könnte meinen Peking sei ein Dorf. Und so gibt es für die Kinder Laugenbrötchen mit Butter und Salami zum Frühstück. Wir sitzen etwas peinlich berührt daneben. Irgendwie wissen immer alle Bescheid außer wir.

Leider soll uns das Glück bald verlassen…aber erst einmal Skifahren!!!

Während Lars sich mit Linus und Gwen auf den Weg macht, suche ich sportliche Betätigung im noch geschlossene Pisten hochlaufen mit Mieke. Am ersten Tag noch mit Kinderwagen, für steilere Stücke kommt am nächsten Tag die Kraxe zum Einsatz. In Sachen Sicherheit muss noch einiges getan werden. Die Chinesen sind ja ein sehr neugieriges und interessiertes Völkchen. Das heißt, Skiurlaub bedeutet für viele Besserverdiener zumindest einmal auf der Piste zu stehen und ein Selfie mit Berg im Hintergrund hinzubekommen. Es ist dann auch nicht so, dass man sich an den Rand der Piste stellt. Nein, die besten Selfies entstehen natürlich mitten auf der Piste. Wie auch bei vielen anderen Dingen, wird man erst lernen müssen, die Pisten so abzuriegeln, dass nicht jeder einfach so drauf darf! Nur so funktioniert es hier. Alles muss extrem überwacht sein. In der Stadt funktioniert es ja auch nur so. An den Bussen gibt es Aufpasser, an den U-Bahnen, an Kreuzungen werden fahrbare Zäune am Radweg vorgefahren, um die Meute bei rot zu bremsen. Die Fahrbahnen müssen streng getrennt sein, weil sonst überall einfach gewendet werden würde usw. Es ist teilweise unmöglich die Masse zu bändigen. So auch beim Skifahren. Am ersten Tag nach Chinese New Year sind die Pisten noch leer, wie auch die Parkplätze und die einzige Straße; doch mit jeden Tag wird es voller. Die Menschen wollen es sehen, erleben, dabei sein. Vor allem jetzt und hier in Wanlong in dem auch ein Teil der olympischen Winterspiele 2022 ausgetragen wird. Und auch wenn der Schnee künstlich ist. Die Chinesen bekommen diese olympischen Spiele schon hin. Es wird wie immer versucht alles nach neusten Standards auszustatten und es wird gebaut und gebaut. Aber noch erlebe ich auf einer meiner Bergtouren mit Mieke, die ruhigsten Minuten seit wir in China sind. Keine Geräusche außer etwas Wind und das Gezwitscher der Vögel. Für eine Weile bleibe ich wie angewurzelt stehen und genieße diesen Hauch von Nichts.

Zurück bei den Gondeln und dem riesigen Restaurantkomplex ist es wieder einmal ein Spektakel die Menschen zu beobachten. Sie freuen sich über alles. Über Ihren kleinen Sohn der nur in Jeans gekleidet ohne Handschuhe und Mütze den Hügel hinunterrutscht und natürlich auch über sich selber, wenn sie das Gleiche tun. Schlitten haben noch nicht wirklich Anerkennung gefunden. Es wird lieber gerutscht auf allem was man finden kann. Plastiktüten, Holzbretter, abgefetzte Werbebanner, Deckel von Plastikboxen, Pappen, Küchenutensilien. Auch am Hang erlebt man Interessantes (leider bin ich meist zu sehr beschäftigt bei den Massen meine Kinder in Auge zu behalten. Deshalb kann ich nur selten die Kamera herausholen). Es herrscht das 4 zu 1 Prinzip. Vier Erwachsene auf ein Kind. Opa schiebt das Kind, Oma rennt nebenher, Papa steht bereit zum Auffangen und Mama macht Bilder.

Auf jeden Fall läuft alles erstaunlich gut bis zum vorletzten Tag als Gwens Ski kaputt geht. Nach einem langen Tag wollen wir den Ski schnell tauschen. Haben ja für das Ausleihen fast die Ski gekauft. Zu früh gefreut. Wir sollen den Ski zum Preis von zwei Ski bezahlen. Die Diskussion beginnt. Glücklicherweise sind auch unsere chinesischen Nachbarn angereist und müssen auch gleich mit ran.  Es beginnt eine Situation zum Verzweifeln, weil man wieder einmal ohne die Sprache völlig hilflos und ausgeliefert ist. Wir sind eigentlich alle nur müde! Hier merkt man, so nett die Chinesen sein können, so knallharte Geschäftsleute sind sie. Es gibt keine Chance auf Einigung. Doch es kommt noch schlimmer. Während wir drinnen diskutieren und versuchen die Kinder bei Laune zu halten, werden draußen Linus seine Ski geklaut. Am nächsten Morgen Auswertung des Videos, Polizei…doch wir wissen schon jetzt, wenn in China etwas verschwindet, dann ist es weg. Keiner schert sich drum…es gibt eh zu viele Menschen! Warum wegen so einem Ski suchen! Und so verbringen wir unseren letzten Tag etwas deprimiert, aber doch glücklich, dass es allen gut geht und die Kinder ihren Spaß hatten und den hatten sie wirklich.

ES KANN NUR BESSER WERDEN IM VERRÜCKTEN JAHR DES AFFEN!!!

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