Eigentlich möchte man dieses Wort langsam nicht mehr lesen, aber die letzten Wochen haben leider bewiesen, dass es uns wohl noch sehr lange verfolgen wird. Wahrscheinlich hätte man es ahnen müssen, aber irgendwie hatten alle gehofft, dass sich das Virus nicht in der gesamten Welt ausbreitet.
Nun ist es leider doch so gekommen.
Nie hätte ich mir vorstellen können, dass in Deutschland ähnliche Maßnahmen ergriffen werden müssen, wie hier in China. Doch es ist wahrscheinlich das einzig Richtige.
So ganz kann man es trotzdem nicht fassen. Auch deshalb konnte ich die letzten Wochen und Monaten keinen Blog schreiben. Für uns hier in China herrscht nun schon seit Ende Januar diese permanente Unsicherheit. Man weiß einfach nicht, wie es weiter geht und was als Nächstes kommt. Für uns Ausländer ist die Situation in vielerlei Sicht schwer einschätzbar. Man versteht größtenteils nichts von der Flut an Regeln und Hinweisen überall, bekommt News eher verspätet und wahrscheinlich nur halb übermittelt und es ändern sich wöchentlich die Richtlinien, ohne dass man manchmal weiß warum.
Besonders traurig finde ich mittlerweile die Vorbehalte gegen uns Ausländer, die sich scheinbar mit den fallenden Zahlen an Infizierten in China und den steigenden Zahlen in Europa verstärken. Eigentlich haben wir uns die ganze Zeit dazugehörig gefühlt, weil wir hier geblieben sind. Von der Botschaft gab es immer mal wieder den Hinweis, dass man aufgrund der sich schnell ändernden Lage eine vorübergehende Ausreise in Betracht ziehen sollte. Für uns als Familie stand fest, dass wir gemeinsam hier bleiben und ich nicht mit den Kindern nach Deutschland fliege. Ohne eigenen Wohnsitz war der Hauptgrund für die Entscheidung, dass wir sehr verunsichert waren von Berichten, in denen es hieß, dass die Krankheit teilweise ohne Symptome verlaufen würde, aber man trotzdem als Überträger fungieren könne. Das wollte ich nicht riskieren. Des Weiteren merke ich über die nun schon elf Wochen im Ausnahmezustand, dass wir gemeinsam als Familie am besten funktionieren. Das bringt alleine die lange Zeit im Ausland auf uns gestellt mit sich.
Die letzten Wochen waren wahrlich nicht leicht und es ist noch kein Ende in Sicht. Trotzdem bin ich sehr glücklich, dass wir uns haben, gesund sind und es bis hier her alle miteinander super gemeistert haben. Es gibt tatsächlich auch erstaunlich viele schöne und lustige Momente.
Doch wie haben wir den Beginn der Corona-Krise hier erlebt?
Angefangen hat es im tiefsten Winter. Peking Ende Januar. Eisig kalt, Minusgrade, oft grauer Himmel, schlechte Luft…ich mag gar nicht mehr zurückdenken wollen. Anders als viele andere Familien hatten wir nichts geplant. Da an Chinese New Year alle Chinesen frei haben, ist zu der Zeit alles sehr teuer. Und mit der Vorfreude auf unseren Kambodscha-Urlaub an Ostern (der sich nun natürlich auch erledigt hat) planten wir ein paar ruhige Tage im ausgestorbenen Peking. Ich hatte mich noch über eine große Eislaufbahn gefreut, die es dieses Jahr zum ersten Mal im Park um die Ecke gab.
Und dann kam plötzlich alles anders. Wir hörten von einem neuen Virus aus Wuhan vom Markt. Auf einmal ging alles ganz schnell. Nach und nach schloss alles. Die Eislaufbahn, Geschäfte, Sehenswürdigkeiten, einfach alles. Wir trafen uns noch mit Freunden etwas verunsichert im Restaurant. Als wir rauskamen durfte schon keiner mehr rein. -Geschlossen-
Das Schlimmste war und ist teilweise immer noch die Ungewissheit. In China werden Dinge beschlossen und durchgesetzt. Es gibt keine Diskussionen und selten Ausnahmen. Das macht es besonders für uns als Ausländer so schwierig. Es herrscht eine Art Willkür. Man weiß oft nicht was jemand verärgern könnte. Ich habe mich nie so verunsichert gefühlt wie jetzt. Sie machen oft Fotos von uns. Das haben sie immer getan. Gerade wegen der Kinder. Jetzt habe ich leider oft Bedenken, dass die Fotos gegen uns verwendet werden könnten, weil wir beim Tischtennisspielen oder ich beim Laufen oft keine Maske trage. Dabei haben wir sie immer. Wir müssen sie tragen, sobald wir einen Fuß vor die Tür setzen, aber wir nehmen sie dann doch herunter, wenn kein Mensch draußen ist im Hof oder auf der Straße. Mittlerweile wird man allerdings mit extrem bösen Blicken bestraft, wenn man mal kurz ohne Maske tief Luft holen möchte. Ich hoffe, dass Milo auch mal wieder in die freundlich lachenden Gesichter der Chinesen schauen kann und sich nicht an Menschen mit Masken gewöhnen muss.
Wir hatten glücklicherweise bisher keine komplette Ausgangssperre. Wir durften zum Einkaufen raus und mit dem Hund. Trotzdem hatte ich die ersten Wochen Angst unseren Wohnblock zu verlassen, weil es hieß (das tut es auch jetzt noch), wenn man über 37.3 Grad „Fieber“ hat, dann kommt man nicht mehr rein. Und was dann? Es hieß, dass es keinen interessiert. Und so ist es leider hier. Es wird nicht zu Ende gedacht.
Ich möchte mir gar nicht ausmalen, welche Auswirkungen das Virus auf die Wirtschaft und vor allem die Kleinunternehmer in Deutschland hat. Trotzdem glaube ich daran, dass jedem irgendwie geholfen wird und zumindest niemand verhungert. Hier wiederum ist diese Sicherheit nicht unbedingt gegeben. Es gibt so viele Menschen die von der Hand in den Mund leben, die Obstverkäufer, die Müllsammler, die Kioskbesitzer, die kleinen Restaurants außerhalb Richtung Mauer.
Die Tagesmutter, die Keni und seit Januar stundenweise auch Milo in ihrer Wohnung mit anderen Kindern betreut hat, wenn ich im Hort war, hat von den Einnahmen sich selber, ihre Tochter und ihre Eltern, die mithalfen, finanziert. Sie ist alleinerziehend und hat seit fast drei Monaten keinerlei Einnahmen. Für mich ein trauriges Szenario, aber ich habe sie bisher noch nie Jammern gehört. Das macht man hier nicht. Zumindest nicht öffentlich. Ich weiß nicht, was den Menschen hier erzählt wird und vielleicht ist es auch manchmal besser so, aber sie hatte unglaublich Angst, das Haus zu verlassen. Erst letztes Wochenende, zwei Monate nach Beginn der Krise, war sie zum ersten Mal mit ihrer Tochter draußen.
Das macht die Menschen hier so besonders und unterscheidet sie wahrscheinlich auch vom Rest der Welt. Sie vertrauen der Regierung. Nun wird ihnen eben suggeriert, dass alles unter Kontrolle ist, dass aber die Ausländer das Virus wieder einschleppen. Das macht mich wiederum nachdenklich, denn wir haben auch viel durchgemacht, mussten uns wochenlang ständig und überall registrieren und Temperatur messen lassen, Masken tragen, keine Freunde einladen….
Trotzdem lassen wir uns nicht unterkriegen. Wir sind gesund und ZUSAMMEN!!! Was würden wir ohne unsere Kinder machen, die uns jeden Tag das alles auch mal vergessen lassen, die ein großes Virus an unsere Wohnungstür gemalt haben, die gemeinsam mit vielen anderen Schülern der Deutschen Schule Peking einen tollen Schulsong zum Aufmuntern geträllert haben (zu sehen auf der Schulhomepage). Diese Kinder, die weitestgehend ohne zu schimpfen nun schon seit über neun Wochen jeden Tag ihre Aufgaben zu Hause erledigen, Tests schreiben, ohne Klassenkameraden durchhalten müssen. Immer mit den Geschwistern im Nacken und mit der Mama als Lehrerin. Es läuft natürlich nicht immer reibungslos, aber ich bin sehr stolz auf sie. Wir haben von Anfang an ein gemeinsames Programm entwickelt. Früh aufstehen, 8 Uhr Schulstart, erste Hofpause im Innenhof, zweite Hofpause nachmittags im Park mit ein paar anderen „Dagebliebenen“ zum Tischtennisspielen. Fast drei Monate lang schon kein Fußball, keine Schulklasse, Freunde daheim haben, Mieke’s Geburtstag „nur“ in Familie. Auch wenn nach und nach wieder etwas Normalität einkehrt, von „Alltag“ sind wir leider noch ein ganzes Stück entfernt.
Dazu kommt nun natürlich noch der besorgte Blick nach Deutschland. Wir informieren uns täglich, hören Podcasts, schauen Polit-Talkrunden. Manches macht einen stutzig, manches beruhigt. Doch nur ein Wunsch bleibt am Ende. Der nach Gesundheit für die eigene Familie und lieb gewonnene Freunde hier, aber vor allem auch für die Familie und Freunde in Deutschland…
Möge bald ein Medikament gefunden sein und eine Impfung. Und möge nach und nach mit dem Frühling auch das Leben, lachen und die Freude zurückkehren.
In diesem Sinne! Bleibt bitte alle schön gesund und passt auf Euch und Eure Lieben auf! Wir schaffen das!!!!
Frohe Ostern!!!
Liebe Andrea, vielen Dank für den Bericht!! Es sind schon verrückte Zeiten. Bleibt gesund, Frohe Ostern und bis bald in München …. irgendwie scheint es bis zum Sommer gar nicht mehr lang zu sein… wir denken schon in Monaten, jetzt da die Ferien auch nur weitere Wochen zu Hause sind. 😉 Aber verglichen mit Euch sind 3 Wochen ja nix. Liebe Grüße Jana und die Jungs
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