Eben konnte man es vor Hitze kaum aushalten, schon muss ich mich innerlich mit dem Gedanken an den Winter befassen. Der letzte Tag unseres Trips nach Qingdao liegt bereits hinter uns und leider ist es ja erfahrungsgemäß so, dass nach der Golden Week ziemlich schnell der Winter Einzug hält. Doch ich fange erstmal von vorn an.
Nach einem bombastischen Sommer in Deutschland, der dieses Jahr einfach kein Ende nehmen wollte, kamen wir zurück nach Peking und konnten uns über fast durchgängig gute Luft freuen. Gute Luft hat ja meist einen Grund. Zum Beispiel nämlich das Afrika-Forum, das Anfang September stattfand. Zur gleichen Zeit gab es ja nun auch endlich Gweni’s Schulanfang, den sie sich so lang herbei gesehnt hatte. Gwen war die letzten Ferienwochen sichtlich aufgeregt, zickig und angespannt. Ich hatte gehofft, dass es wegen ihres großen Tages ist. So war es zum Glück dann auch. Noch in der ersten Woche war sie wie ausgewechselt. Glücklich und zufrieden mit der Lehrerin und auch mit den Mitschülern, die sie ja zum Glück auch fast alle schon kannte. Nicht im Traum hätte ich daran gedacht, dass wir mal zwei Kinder in Peking einschulen lassen. Mittlerweile sind wir eher skeptisch, was uns in Deutschland erwarten wird. Aber am Ende wird wahrscheinlich alles halb so wild. Gerade die Kinder sind so anpassungsfähig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie Probleme haben werden. Am schlimmsten war der Schulstart für Mieke, weil sie eben noch keinen hatte. Durch ihre großen Geschwister bekommt sie natürlich alles hautnah mit und sie wollte auch so gern ihren Ranzen packen. Glücklicherweise gaben ihre Geschwister ihr beim Beschriften der Schulmaterialien ein paar Aufgaben.
Auch für Keni hat ein neuer Lebensabschnitt begonnen. Da ich im Hort angefangen habe zu arbeiten, besucht sie seit Anfang September eine kleine private Krippe in einer Wohnung in unmittelbarer Umgebung unseres Hauses. Ich hätte sie auch in Mieke’s ehemalige Einrichtung gegeben; die ist jetzt umgezogen; in den Park, in ein wirklich schönes Gebäude. Allerdings übersteigen die Kosten sogar die einer privaten Einrichtung in München. Das war uns dann doch etwas zu viel. Dort wo Keni nun hingeht, hat es nur fünf bis zehn Kinder. Die Erzieherinnen sprechen meist Chinesisch mit den Kindern und anders als in der anderen Einrichtung beruht das Konzept eher auf Freispiel, nicht Unterricht. Es gibt eine Köchin, die jeden Tag Chinesisch kocht. Schade ist, dass nicht raus gegangen wird, weil im Hof des Wohngebietes überall Autos fahren. Da ist es gut, dass Keni eh früh erstmal mit uns zur Schule fährt und bis jetzt immer nur da war, wenn ich zur Mittagsbetreuung musste, sodass sie zumindest früh und nachmittags auch etwas an die frische Pekinger Luft kommt.
Auch bei mir war in den Wochen vor der Golden Week einiges los. Eigentlich hatte ich mir vor Jahren, nach meinem ersten und einzigen Marathon in Dresden, geschworen, nie wieder Marathon zu laufen. An der Strecke lag es damals auf jeden Fall nicht, da diese mit dem Elberadweg landschaftlich kaum zu toppen ist. Doch so gern ich laufe, für mich ist es oftmals ein zeitliches Problem. Ich bin schon froh, wenn ich es schaffe mehrmals in der Woche für eine Stunde laufen zu können. Mittlerweile verbinde ich dies meistens mit irgendeiner Erledigung oder wenn wir es schaffen, laufe ich früh neben den Kindern her, wenn sie zur Schule radeln oder rollern. Trotzdem war ich nach dem Sommer voller Elan und wollte unbedingt einen Wettkampf machen. Da kam die Registrierung zum Beijing Marathon. Ich musste mich schnell entscheiden, denn es hieß, dass sich über 100.000 Menschen innerhalb der drei Tage Frist auf die Lotterie für die 30.000 Startplätze bewerben. Das Ganze findet auch nur zwei Wochen vor dem eigentlichen Event statt, sodass man nicht viel Zeit hat, sich darauf einzustellen. Natürlich habe ich es einfach nicht geschafft, mal einen ganzen Marathon im Training zu laufen, aber ich wusste zumindest, dass ich es normalerweise irgendwie schaffen sollte. In den Tagen, in denen ich auf Antwort vom Marathon wartete, kam eine Anfrage von ein paar Lehrern, die jedes Jahr beim International Triathlon Beijing mit mehreren Staffeln antreten. Ein Läufer hatte sich verletzt und es wurde Ersatz gesucht. Da ich ja nicht wusste, ob es mit meinem Start beim Marathon klappt, überlegte ich nicht lange und sagte zu. Eine Woche vorm Marathon kam dann auch die Zusage und so durfte ich mich zwei Wochenenden hintereinander meiner Leidenschaft widmen.
Beim Marathon musste ich leider aus dem letzten Startblock starten, weil der Marathon in Dresden zu lang her war und ich eh keinen Nachweis mehr darüber hatte. Ich war sehr aufgeregt und konnte an den zwei Wochenenden ansonsten nur wenig erledigen. Da merkt man dann doch, dass man mit vier Kindern nicht mehr ganz so flexibel sein kann, denn umso mehr hat man danach zu tun und seitdem ich wieder in der Mittagsbetreuung bin, fehlen mir auch unter der Woche ein paar Stunden. Trotzdem war es mir das absolut wert erlebt zu haben. Am Marathonmorgen schwang ich mich 6 Uhr auf ein Leihfahrrad und fuhr die knapp zehn Kilometer zur Verbotenen Stadt. Mit der U-Bahn wollte ich nicht fahren. Ich genoss es, nochmal eine Stunde für mich zu sein. Im Nachhinein muss ich sagen, war die Ruhe an diesem Morgen das Schönste. Wann erlebt man das schon mal in Peking? Man kann natürlich auch nicht sagen, dass nichts los war, aber wenig Menschen gibt ja auch schon selten. Angekommen an meinem Startblock reihte ich mich zumindest dort ganz vorn ein, wissend dass ca. 25.000 Menschen vor mir sind. Für die Leute in meinem Startblock spielte größtenteils nur das Bilder machen eine Rolle. Neben mir zum Beispiel stand ein Mann der eine Zigarettenschachtel in der einen Hand und Handy in der anderen hielt. Ich dachte nur, dass ich ganz schnell weg muss. Vom Startschuss bekam man natürlich nichts mit und bis ich die Startlinie überquerte, vergingen auch noch ein paar Minuten. Dann aber ging mein Zickzack-Kurs durch die Massen los. Es war für mich ein ziemlicher Ansporn mich durch die Menschen zu kämpfen und bis Kilometer 26 fühlte ich mich damit auch echt gut. Doch dann kam das Loch aus dem ich nicht wieder herauskam und so kam ich zwar ins Ziel, hatte mir aber irgendwie schon mehr erhofft. Zumindest hatte ich es geschafft, 21.000 von 28.000 Läufern zu überholen.
Am Wochenende darauf ging es zum Triathlon. In diesem Bereich kenne ich mich nun gar nicht aus, aber es war interessant dies einmal zu erleben. Wir fuhren am Tag vor dem Event zum Austragungsort, da es am nächsten Morgen schon kurz nach 5 Uhr früh vom Hotel losging. Alle Teilnehmer der Staffel mussten natürlich schon vor Beginn mit in der Wechselzone sein. Zu dem Triathlon waren einige Olympiasieger meist aus den USA und Großbritannien eingeladen. Unser Schwimmer schwamm Bestzeit, der Radfahrer stürzte zwar leider, aber kämpfte sich trotz allem in einer tollen Zeit zurück zur Wechselzone und ich war in den zwei Stunden wartend unter einer Brücke bei 13 Grad Morgentemperatur, völlig eingefroren und brauchte erstmal eine Weile um mich wieder warm zu laufen. Dann waren da auch noch zahlreiche Treppen. Früher, als ich noch viel im Wald gelaufen bin, hätte ich da weniger Probleme gehabt. Mittlerweile wirft mich jeder Hügel zurück. Trotzdem durften wir uns am Ende über einen ersten Platz in der Mixed Staffel freuen und es war insgesamt eine schöne Erfahrung, vor allem auch mit sehr netten Menschen.
Eine Woche später saßen wir schon wieder im Auto um 700 Kilometer in den Süden ans Meer nach Qingdao zu fahren. Ehrlich gesagt war ich etwas skeptisch, wie die Woche Urlaub in China werden würde, gerade wo alle Chinesen frei haben. Die meisten unserer Bekannten hatten sich eher Ziele wie Japan, Thailand, Vietnam und so weiter ausgesucht. Außerdem waren wir auch etwas enttäuscht, dass wir Cookie nicht mitnehmen durften. Kein Hotel wollte Hunde erlauben. Doch auf dem Rückweg waren wir dann wiederum fast etwas traurig, dass wir nicht mehr Zeit hatten. Die Kinder hätten ewig am Strand spielen können. Ich konnte ein paar schöne Laufrunden genießen; wir waren in einem schönen Gebirge wandern und die Stadt Qingdao hat uns richtig beeindruckt. Die Stadt, die um 1900 mal deutsche Kolonialstadt war, hat immer noch so viel Vertrautes zu bieten. Die engen Straßen, die verwinkelten und unterschiedlichen Häuser und ein paar Kirchen, die von früh bis spät von angehenden Brautpaaren umzingelt werden. Bei den Deutschen müssen ja die Hochzeitsbilder auch recht originell sein. Für die Chinesen ist halt ein Bild vor einer europäisch aussehenden Kirche das absolute Highlight. Neben den vielen Brautpaaren ist die Stadt auch der Entstehungsort des berühmtesten Bieres in China. Das Tsingtao Bier wird an vielen Ecken in der Stadt einfach in Tüten abgefüllt und mit Trinkhalm direkt zum Verzehr verkauft und es gibt sogar eine Bierstraße mit zahlreichen Restaurants. Ich hätte ewig durch die Stadt schlendern und Neues entdecken können, aber das wollten wir den Kindern nicht antun. Da in dieser Woche die meisten Chinesen frei hatten waren wir natürlich nie allein und so auch an unserem Wandertag. Wir mussten das Auto auf einem riesigen Parkplatz abstellen und uns mit einem Bus die Sepentinen entlang zum Ausgangspunkt fahren lassen. Dann konnte man in eine Gondel steigen oder wandern. Wir liefen hoch; meist über Treppen. Die Chinesen haben einfach ein anderes Bild von wandern. Bloß keine unbetonierten Wege. Die Menschenmassen auf den Treppen machten den Aufstieg natürlich noch anstrengender und unentspannter. Trotzdem wurden wir oben angekommen mit einem Wahnsinns-Blick belohnt. Hinunter wollten wir die Kinder mit einer Gondelfahrt belohnen, aber es hieß anstehen ohne Ende. Erst an der Gondel, dann am Bus. So ist es halt in China. Es dauert immer alles ein paar Stunden länger. Alles in allem war es eine wunderschöne Auszeit, die uns allen gut getan hat.