Liebe Leserinnen und Leser,
wie immer hält mit der „Golden Week“ ganz plötzlich der Herbst Einzug. Dies ist nach Monaten voll unbändiger Hitze meist ein riesiger Schock, den ich mittlerweile nur noch schwer verkrafte. Wettermäßig wird es hart für mich in Deutschland, denn ich genieße die Hitze des Pekinger Sommers. Aber wie gesagt, auch hier wird der Winter schneller da sein, als man denkt. Letzte Woche hat es sogar drei Tage am Stück geregnet. Sehr ungewöhnlich. Im Norden von Peking gab es direkt den ersten Schnee.
Bei uns hat sich alles soweit eingespielt. Keni wächst und gedeiht und freut sich über das ständige Programm mit ihren Geschwistern. Sie haben die Kleinste gern mit dabei und bauen sie dann bereits in ihre Spielideen mit ein. Schon am Morgen beginnt der heiße Kampf um die zwei Plätze links und rechts neben ihr, was Keni fast immer ein Lächeln ins Gesicht zaubern lässt. Beim Wickeln wird mir alles gereicht was ich gerade brauche.
Auch wenn Peking meiner Meinung nach nicht unbedingt die kinderfreundlichste Stadt ist, die Chinesen sind es eigentlich schon. Ich glaube, da wird es uns in Deutschland anders gehen. Ich würde sagen, dass es leider viele Vorbehalte gegen Großfamilien gibt und es wird auch nicht verstanden, warum man viele Kinder haben möchte. Natürlich ist die Zukunft ungewiss und man weiß nie was kommt. Auch wenn es uns hier sehr gut geht, so weiß ich, dass die Kinder in Zukunft natürlich auf manches verzichten müssen. Trotzdem denke ich, dass es für unsere Kinder auf jeden Fall ein Mehrwert ist und hoffe, dass ihnen das später einmal im Leben zu Gute kommt. Wenn die Chinesen mich mit den Kindern sehen, staunen sie, zeigen Daumen hoch, fragen, ob es alles meine Kinder sind. Für sie bedeuten viele Kinder Reichtum und reich sind wir auf jeden Fall…an Kindern;-) Die Chinesen haben viel Respekt und Hochachtung für die Leistung, da die meisten es sich einfach nicht vorstellen können, dass man das alleine schaffen kann, denn sie sind fast nie allein mit ihren Kindern. Oma oder Kindermädchen sind immer zur Stelle. Dadurch dass ich viel mit allen Kindern und Fahrrad unterwegs bin, kennen uns auch schon einige Menschen in der Umgebung, feuern uns an oder fiebern mit, wenn Keni beim Vorbeifahren schreit, als würde man ihr sonst was antun.
So, jetzt war ich wieder völlig vom Thema abgekommen. Eigentlich wollte ich doch von unserem Kurztrip in die Innere Mongolei berichten. Anders als die Mongolei gehört die Innere Mongolei als autonome Region zu China und befindet sich westlich von Peking. Prinzipiell ist die Strecke, die zurückzulegen ist, so weit wie die von München nach Dresden. Leider braucht man fast das Doppelte an Zeit. Da wir hier nicht so viel mit dem Auto unterwegs sind (seitdem ich mit Hilfe meiner App Bus fahren kann, ist das meine neue Leidenschaft bei längeren Strecken, denn da können die Kinder aus dem Fenster schauen), wussten wir natürlich nicht, wie unsere Keni das mitmachen würde. Doch wir hatten Glück…mit allem eigentlich…
Gebucht hatten wir nur ein Hotel in Hohhot, der Hauptstadt der Inneren Mongolei. Alles andere musste, wie so oft bei uns, spontan klappen. Da wir allerdings tatsächlich etwas Bedenken hatten, versuchte ich vorher sogar eine geleitete Bustour für uns zu buchen. Nach langem hin und her, wollten sie uns allerdings mit so vielen kleinen Kindern nicht mitnehmen. Davon ließen wir uns aber nicht entmutigen und wagten das Abenteuer ohne Hilfe. Früh am Morgen starteten wir mit einem Auto voll Essen (ich glaube mehr als Klamotten), weil wir aus Erfahrung wissen, dass chinesische Raststätten nicht unbedingt unseren Geschmack treffen. Nicht einmal einen Kaffee bekommt man da! Das Gute daran wiederum ist, dass man sich lange Aufenthalte erspart. Mittags erreichten wir dann Hohhot, bezogen unser Hotel und machten uns kurz darauf auf, die Stadt zu erkunden. Ähnlich wie „Chinese New Year“, das den Frühling einläutet, gibt es mit der Golden Week einen plötzlichen Umbruch von Sommer zu Herbst und obwohl wir dies wussten, erwischte uns die Kälte in Hohhot eiskalt. In der Stadt gab es für uns nicht sehr viele Dinge zu erkunden und zum Glück war alles zu Fuss gut erreichbar. Neben einem Tempel, von denen wir aber mittlerweile auch schon so viele gesehen haben, dass sie uns nicht mehr recht vom Hocker reißen können, gab es vor allem einen interessanten muslimischen Einfluss zu bestaunen, der sich in Form von Moscheen und anderen prächtigen Bauten bemerkbar macht. Der Anteil von Mongolen in der Stadt beträgt unter 20%, also gar nicht so viel. Trotzdem sind alle Beschilderungen auf Chinesisch als auch Mongolisch. Man sieht einige Frauen mit Kopftüchern und Männer mit traditionellen Kappen. Das Zusammenspiel vom chinesischer und mongolischer Architektur ist auf jeden Fall beeindruckend, ansonsten fanden wir aber, dass die Stadt doch das typische Muster einer jeden chinesischen Stadt vertritt. Auch wenn sie es manchmal versuchen, so sind wir der Meinung, dass die meisten Chinesen auf die Schönheit ihrer Umgebung wenig Wert legen.
Am Abend fanden wir, dass wir genug gesehen hatten und freuten uns auf etwas Natur und damit die Wüste, die wir am nächsten Tag erkunden wollten. Wir ließen uns also eine Richtung geben, in die wir zu fahren hatten und verließen Hohhot am nächsten Morgen Richtung Westen. Die kahlen Berge neben der Straße waren interessant, obwohl sie ja auch leider eine Folge der „Verwüstung“ sind, die alles andere als gut ist. Das Land wird immer trockener und muss mit viel Arbeit und Geld aufgeforstet werden. An vielen Bergen sieht man Rohre verlaufen. Es wird bewässert, was das Zeug hält. Prinzipiell wird ja in China auch nicht gerade mit Wasser gespart. Die städtischen Parks werden mit Feuerwehrschläuchen bewässert. Da würde es bei uns in Deutschland einen riesigen Aufschrei geben.
Aber nun zum Naturwunder Wüste. Der Ort an den uns unser Navigationssystem führte, war eine augenscheinliche Grenze zur Wüste. Obwohl wir vorher schon durch recht karges Land gefahren waren, standen wir plötzlich vor einem grünen bewirtschafteten Feld. Große Bewässerungskonstrukte umgaben es und direkt dahinter lag die weite, hügelige Wüste. Sehr unwirklich schien dieses Bild. Die Kinder genossen diesen großen Sandkasten und rannten die Dünen hoch und runter. Irgendwann als die Kinder sich ausgetobt hatten, traten wir den Rückweg an. Doch so richtig zufrieden waren wir mit unserem Wüstenabenteuer noch nicht. Auf dem Rückweg entdeckten wir unweit der Straße Kamele, Quads und Menschen und so folgten wir einem braunen Schild, denn auch wenn man nichts lesen kann, so haben wir gelernt, dass diese Schilder Sehenswürdigkeiten anzeigen. Das klappt zwar nicht immer, diesmal schon. Plötzlich standen wir auf einem riesigen Parkplatz mit vielen Menschen. Vor uns lag eine riesige Wüsten-Erlebniswelt. Es erinnerte mich an den Film Mad Max, den ich zwar noch nie wirklich bewusst gesehen habe, der aber so polarisierend ist, dass man ihn doch irgendwie kennt. Es war auf jeden Fall eine eigene kleine Welt inmitten der Wüste geschaffen worden mit Hotelresorts, Sandrutschen, Kamelreiten, Wüstenfahrzeugen fahren und, und, und…Beeindruckend was die Chinesen auf die Beine stellen können. Natürlich hat das alles auch seinen Preis. Nur die Fahrt mit dem Sessellift vom Festland zur Wüste kam schon ein kleines Vermögen. Trotzdem war es ein schöner Abschluss des Tages und die Erinnerung verfolgte uns/mich in Form von Massen an feinstem Sand bis nach Hause…
Am nächsten Tag wartete dann schon das nächste Abenteuer auf uns, die Grasslands. Dazu fuhren wir von der Hauptstadt Richtung Norden. Auch hier wussten wir eigentlich nicht wirklich was uns erwarten würde. Viel Wind und Kälte schon mal. Die Sommer hier sind recht kurz und dann geht es schnell bergab mit den Temperaturen. Und so war auch leider das Gras nicht mehr grün und saftig, wie man es vom Namen her erwarten würde. Als wir in das hügelige, freie, weite Land einfuhren, waren wir überrascht, wie touristisch es da mittlerweile ist. Man konnte zwar erkennen, dass das noch nicht lang so ist, aber wie vieles hier in China, geht es dann oft recht schnell, wenn der Profit stimmt. Es gibt viele neue Anlagen mit zahlreichen Jurten, die meist auch nicht mehr aus Stoff sind, sondern aus Stein mit oder ohne Heizung, mit Bad, Strom und Flachbildschirm. Es gibt Pferde, Quads, Kutschen und mongolische Shows. Massenweise Busse karren die Menschen hin und her. Die Chinesen, die bis vor einigen Jahren überhaupt kein Interesse an ihrem Land hatten, entdecken dessen Schönheit außerhalb der großen Städte. Ein positiver Wandel auf jeden Fall. Wir ließen uns bei eisigem Wind eine Jurte aus Stoff zeigen. Drinnen ein paar Teppiche ausgelegt und es zog durch jeden Schlitz. Lars, wie immer positiv gestimmt, wollte schon fast zusagen, doch ich lenkte ein. Das wäre nicht gegangen und wir hätten am Ende im Auto übernachtet. Die Leute waren so freundlich, aber wir mussten sie enttäuschen. Wir fuhren also weiter. Links und rechts Jurten über Jurten. Dann fuhren wir auf einen kleineren Hof zu, der uns wesentlich sympathischer erschien. Da galoppierten die Pferde umher und es sah nett aus. Die Familie freute sich, denn am Ende stellte sich heraus, dass wir die einzigen Gäste und vermutlich auch letzten Gäste für dieses Jahr waren. Spätestens abends wussten wir warum. Die Jurte war aus Stein, aber ohne Heizung und so behielten wir auch nachts unsere Jacken an. Wir schliefen alle aneinander gekuschelt in zwei zusammengeschobenen Betten. Die Gastgeberin brachte uns aber auch noch extra Federbetten. Essen bestellten wir direkt in der Küche der Familie, allerdings nur mit Hilfe eines chinesischen Kollegen per Telefon. Die warme Nudelsuppe wärmte die Kinder vorm Schlafen nochmal etwas auf. In der Nacht war es, Dank der vielen Decken, dann tatsächlich gar nicht kalt. Nur früh wollten wir nicht raus. Von unserem Fenster aus sahen wir bereits die Pferde auf der Koppel und so ging es gleich nochmal, wie am Abend vorher, auf einen kleinen Ausritt. Nichts für schwache Po-Muskeln. Danach stand noch eine Runde Quad fahren auf dem Programm und schon waren wir wieder on the road to Beijing. Alles in allem ein gelungener Ausflug, der uns in schöner Erinnerung bleiben wird.