Schwanger in Beijing

Liebe Leserinnen und Leser,

wie fast alles hier, ist natürlich auch schwanger sein etwas anders. Ich kann mich mehr als glücklich schätzen, dass meine Schwangerschaften immer recht unkompliziert waren und diese bisher ebenso, denn Lars war nicht so recht von meinem Wunsch überzeugt, in China noch ein Kind zu bekommen. Andererseits kann ich behaupten, dass uns die zwei Jahre in diesem verrückten Land extrem flexibel gemacht haben und man schneller Dinge tut, die man in Deutschland wesentlich stärker und länger durchdacht hätte. Obwohl mir in dieser Hinsicht die Chinesen sympatischer sind. Als wir unsere Hündin neu hatten, musste ich mich natürlich erst einmal sehr belesen und informieren. Es gibt immer ein erstes Mal und dies ist nun mal für uns alle der erste Hund. In deutschsprachigen Foren war ich immer sehr geschockt über die Boshaftigkeit einiger Mitmenschen. „Wenn man keine Ahnung hat, sollte man sich keinen Hund zulegen!“ oder “ Kannst Du Dich nicht vorher informieren, bevor du Dir ein Tier ins Haus holst!“ Diese permanente Vorwurfs-Kultur und dass man für alles in Deutschland am besten erst einmal ein Diplom benötigt, ist etwas was ich hier null vermisse. In einem Land und einer Stadt wie dieser, in der die Ausländer ein bisschen näher zusammenrutschen, ist man da besser bedient. Es gibt Gruppen, denen man sich als Hundebesitzer anschließen kann und wenn man eine Frage hat wird einem garantiert geholfen. Und ich kann mit Frede sagen, dass wir es, trotz aller anfänglicher Schwierigkeiten absolut nicht bereuen Cookie adoptiert zu haben. Sie ist eine großartige Bereicherung für die gesamte Familie und wir lieben sie alle sehr. Natürlich hat sie es vor lauter Liebe auch nicht immer ganz leicht, aber insgesamt denke ich, dass sie recht zufrieden ist 😉

So, aber eigentlich wollte ich doch über das Schwanger sein in Peking berichten! Natürlich muss ich als erstes erwähnen, dass meine Beobachtungen sicherlich nicht allgemein gültig sind und ich außerdem das große Glück habe auch diesmal eine bisher extremst unkomplizierte Schwangerschaft zu durchlaufen, in der ich auch noch drei Wochen vor Termin immer noch fit und aktiv durch die Gegend spaziere und radle und mich auch bei fast täglich 37°C nicht viel anders fühle als jede nicht schwangere Frau. Über die Versorgung kann man sich in einer Stadt wie Peking auch nicht beschweren. Es gibt einige internationale Kliniken und viele ausländische Ärzte die sich vor allem um das Wohlbefinden der Expats bemühen und dabei auch nicht ganz schlecht verdienen. Ohne eine gute Krankenversicherung kann man hier mal wieder schon an der Versorgung des Ungeborenen scheitern, denn die Rechnungen die ich nach meinen zum Glück recht wenigen Krankenhaus-Terminen unterschreibe sind kostenmäßig für einen Laien nicht nachvollziehbar. Kein Wunder, dass die Chinesen Probleme haben Ihre neue Zwei-Kind-Politik durchzusetzen. In der Nähe unserer Wohnung gibt es auch eine chinesische Geburtsklinik. Hier bilden sich jeden Morgen schon sehr früh hunderte Meter lange Autoschlangen und die armen Schwangeren sitzen wohl angeblich teilweise den ganzen Tag um einen Arzt zu sehen. Dies ist in der Privatklinik die ich besuche ganz und gar nicht so. Jede Krankenschwester spricht gutes Englisch und es gibt Personal zu genüge. Chinesisch chaotisch geht es trotzdem manchmal zu und dass ich es oft auch sehr eilig habe, wenn ich anschließend zur Schule muss, stört dort keinen. Erst seitdem ich mir angewöhnt habe gleich zu Beginn der Behandlung eine Zeit zu nennen, zu der ich spätestens weg muss, geht auch mal alles ganz schnell. Zu meinen Beobachtungen beim Warten gehören unter anderem Schwangere die ab und zu in Rollstühlen eingefahren werden, obwohl man das Bäuchlein erst erahnen kann. Der Ehemann hält ihre Hand und reicht Wasser, während Vater und Mutter versuchen alles nötige zu klären. In der Küche werden Nickerchen abgehalten und das Handy aufgeladen. Es ist immer Stimmung im Laden. Noch extremer wird es, wenn bereits ein erstes Kind existiert, denn dann muss auch noch das Kindermädchen mit. Alles in allem kann man sagen, 20% Schwangere und 80% Angehörige. Aber wie soll es auch anders gehen? Ich habe das Gefühl, dass die nächste Generation in China (in den großen Städten) allein nicht überlebensfähig sein wird. Selbstständigkeit wird völlig abgeschafft und das letzte bisschen Sozialverhalten wird komplett verloren gehen, wenn das einige Kind alles bekommt und nicht lernt auch mal Rücksicht auf andere zu nehmen. Neben der nicht von der Hand zu weisenden Armut gibt es in dieser Stadt Reichtum den ich noch nie erlebt habe. In einem Gespräch mit einer außergewöhnlich aufgeschlossenen Krankenschwester erfuhr ich von zwei entstehenden Trends unter den Reichen. In China gibt es keine Hebammen. Hier werden Probleme innerhalb der Familie geklärt. Nun entsteht allerdings ein neuer Beruf. Eine Art Hebamme/Kinderkrankenschwester, die sich mindestens im ersten Monat 24 Stunden vorrangig um das Neugeborene kümmert. Ich rede hier allerdings nicht von einer Person die unterstützend sowie mit Tipps und Tricks wirkt, sondern eine Person die der Mutter komplett das Muttersein abnimmt. Diesen Trend sehe ich mit großer Sorge und auch die Krankenschwester meinte, dass den Frauen der Sinn des Mutterdaseins verloren geht. Sie sehen es als Notwendigkeit Kinder zu gebären, sind aber froh, wenn sie eigentlich nichts mit allem was folgt zu tun haben müssen. Hausangestellte tragen und versorgen die Babys und die Mütter laufen aufgestylt mit dem Telefon in der Hand hinterher. Ein Bild, das man leider öfters sieht. Natürlich muss ich auch zugeben, dass wir hier am Park in einer Gegend leben, in der vorrangig Ausländer und wohlhabende Chinesen residieren. Ich habe ja auch schon über das andere Extrem berichtet. Kinder die auf dem Markt zwischen den Einkaufsständen aufwachsen, in einem Container neben dem überwachten Fahrradparkplatz oder an öffentlichen Toilettenanlagen und das sind sicherlich noch wenige Beispiele. Der andere Trend von dem die Krankenschwester mir noch berichtete und der meine Vorahnung nach Betrachtung eines Prospekts bestätigte, ist die Einmietung in eine Art Mutter-Baby Hotel nach der Geburt für umgerechnet mehrere tausend Euro im Monat. Es handelt sich hierbei um einen Ort, an dem die frisch gebackene Mutter sowie das Baby 24 Stunden rundum versorgt werden. Während die Mutter also das Spa-Angebot nutzen kann und auch gern durch die ein oder andere Straffung wieder flott gemacht wird, genießt das Baby 100 %-ige Aufmerksamkeit von einer Schar an Personal. Aber was will man machen, andere Länder, andere Sitten und vielleicht setzt ja auch hier nach einer Weile wieder ein anderes Bewusstsein ein. Es wäre zu wünschen…

 

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